Alles anzeigenKurzfassung für Eilige:
Der Fußball soll sicht nicht vor einen fremden Karren spannen lassen, auch dann nicht, wenn es um eine gute Sache geht. Konkrete soziale Aktionen (Suppe, Spielplätze...) finde ich dagegen gut.
Jetzt die Langfassung:
Mir ist bei der ganzen Sache etwas unbahaglich zumute.
Der Fußball sollte schon aufpassen, sich nicht zu sehr von der Politik vereinnahmen zu lassen, sich nicht vor einen (partei)-politischen Karren spannen zu lassen. Die Kraft des Fußballs liegt auch darin, dass Menschen mit durchaus sehr unterschiedlichen politischen Einstellungen von demokratisch links bis demokratisch rechts zusammen ein Spiel genießen können, dessen Reiz auch davon ausgeht, dass man die ganzen Probleme in der Welt da draußen wenigstens für 90 min vergessen kann.
Die Vermischung mit Politik ging schon in Katar ziemlich schief (wobei das Tragen einer Armbinde mit Davidsstern im Lande der Gastgeber der Hamasbonzen und dem Hauptfinanzier der Hamas mutiger gewesen wäre, als das Tragen der Regenbogenbinde).
Es liegt vielleicht auch an meinem Eigensinn. Ich mag mir von niemandem vorschreiben lassen, zu welcher Demo ich gehen soll oder nicht gehen darf, auch dann, wenn ein Anliegen (scheinbar) keinen Widerspruch zulässt.
Das Motto "Kampf gegen rechts" irritiert mich allerdings schon etwas. Müsste es nicht "Kampf gegen rechtsextrem" heißen? Und warum gibt es keine Demo gegen linksextrem? Und keine Demo gegen den politischen Islam, also gegen Islamismus ? Und keine Demo gegen Ehrenmorde? Und wenn es solche Demos gäbe? Würde unser Verein uns dann auch zur Teilnahme aufrufen?
Eine Demokratie sollte jedenfalls Standpunkte von links bis rechts aushalten können, solange die verfassungsrechtliche Ordnung des Staates nicht aktiv angegriffen wird. Insbesondere im Fußballstadion sollten verschiedenste politische Haltungen akzeptiert sein. (Dummes und widerwärtiges Beschimpfen von Spielern mit anderen Hautpigmenten ist keine politische Haltung und natürlich völlig inakzeptabel).
Wenn "rechts" zum verbotenen politischen Ort wird (NICHT rechtsextrem), dann schließt man wohl ein Viertel der Bevölkerung von der politischen Teilhabe aus. WIR guten Demokrat*innen und die da drüben hinter der Brandmauer nur noch rechte Mischpoke oder rechte Brandstifter (warum wird Brandstifter eigentlich nie gegendert?).
By the way: Im ARD-Presseclub behauptete jüngst eine Mitarbeiterin von CORRECTIV, sie (also correctiv) hätten ja gar nicht den Begriff Deportation verwendet. Was jetzt? Wurde auf dem Treffen in Potsdam gar nicht von Deportation gesprochen (auch nicht in der Semantik)? Eine nicht sehr lange Google-"Recherche" liefert dann schon die Information, dass gegen Correctiv rechtliche Schritte eingeleitet wurden von einem Verfassungsrechtler (ein Herr Vosgerau), der an dem Potsdamtreffen teilnahm. Zudem nahmen dort mehr CDU-Mitglieder teil als AFD-Mitglieder. Müssen die Demos sich also nicht mindestens genauso gegen die CDU richten? Und sollen wir als Clubfans dann immer noch daran teilnehmen? Und ist der Titel "Wannsee 2.0" nicht eine unsägliche Verharmlosung des Naziterrors des letzten Jahrhunderts? Und warum wird eigentlich kein Redetext veröffentlicht, über den correctiv doch verfügt, damit sich alle ein eigenes Bild machen können?
Zeit zum Aufstehen ist, wenn die Exekutive erkennbar die Verfassung brechen will.
Zudem bin ich davon überzeugt, dass unsere Verfassungsordnung sehr widerstandsfähig ist, weit widerstandsfähiger als Weimar. Auch eine AFD könnte nicht gegen die Verfassung handeln, denn erstens würde das Verfassungsgericht einschreiten und zweitens haben alle Beamten sogar eine im Beamtenrecht festgelegte Pflicht, verfassungswidrige Befehle zu verweigern (heißt glaub ich Remonstrationspflicht). Haben wir bei der Bundeswehr gelernt, obwohl gerade dort Befehl und Gehorsam eine große Rolle spielen. Kein Polizist dürfte also an einer offenbar verfassungswidrigen "Deportation" mitwirken.
Aber evtl. wurde ja auch darüber gar nicht gesprochen?
Vielleicht auch mein Problem, da ich einen eingebauten Oppositionsinstinkt habe: Wenn alle einer Meinung sind und "wir alle" plötzlich irgendetwas "müssen", dann befällt mich Unbehagen. Vielleicht wäre ich ohne Aufruf zur Demo, jetzt aber - auf Aufforderung - mag ich nicht mehr
Ich finde, dass du hier einige aus meiner Sicht richtige Dinge schreibst. Eingehenden möchte ich auf den letzten von Dir geschriebenen Absatz. Empfindest du den Aufruf als Aufforderung? Ich finde es durchaus im Glubbkontext in Ordnung zur Demo aufzurufen. Ob ich diesen Aufruf nachkomme oder nicht, bleibt dennoch mir persönlich überlassen. Eine Aufforderung, der nicht nachgekommen wird, würde in vielen Fällen Sanktionen nach sich ziehen, was schlicht und einfach nicht der Fall ist.