Tradition in der Bundesliga

  • Einige ziemlich provokante Fragen, mich interessieren aber vor allem die unterschiedlichen Argumente. Ich würde eine weitestgehend rationale Diskussion bevorzugen.


    1. Warum berufen wir uns in Diskussionen um die Wertigkeit von Vereinen häufig auf die Tradition?


    2. Was gibt einem Traditionsverein eine höhere Wertigkeit als Kunstprodukten wie Hoffenheim?


    3. Was unterscheidet Vereine wie Hoffenheim und Wolfsburg von Kaiserslautern und dem Glubb?


    4. Welchen Wert hat Tradition für sich?

  • Tradition ist sicherlich ein wertvolles Gut, aber sie verliert mit den Jahren immer mehr an Wertigkeit.


    Etwas provokant gesagt : die Tradition steht vielen Vereinen der Weiterentwicklung eher im Weg.


    Die negative Entwicklung hatbauch damit zumtun, dassmsich Spieler immer weniger mit einem Verein identifizieren.


  • 1+2+3:
    Ich übersetzte für mich Tradition in der Bundesliga mit einer gewissen Zahl an Anhängern und damit auch an eine gewisse wirtschaftl. und emotionale Basis die erforderlich ist um in der BL bestehen zu können.
    Eigentlich hat das für mich theoretisch auch wenig mit Tradition zu tun, praktisch aber schon.


    Theoretisch könnte es ja auch eine neue Vereinsgründung, ohne Mäzen, geben die gleich 100.000 begeisterte Mitglieder hat - könnte ich akzeptieren - wäre für mich kein Problem.


    Praktisch natürlich vollkommen unrealistisch.
    Die Praxis zeigt halt, dass Vereine mit ausreichend Mitgliedern über einen längeren Zeitraum gewachsen sein müssen - für mich sind deshalb nur Traditionsverein die Vereine die in die BL gehören.


    Einhergehend mit den Kriterien oben ist mE Chancengleichheit elementar wichtig.
    Ein sportl. fairer Wettkampf der Vereine kann halt nur bei einigermaßener Waffengleichheit funktionieren.
    Bei den Kunstvereinen ist die aber nicht gegeben.
    Diese Vereine werden zT wirtschaftl. hoch subventioniert und untergraben damit den fairen Wettkampf massiv.
    Gleichzeitig haben sie auch nicht genügend begeisteter Anhänger die den Verein tragen.
    Unfair, ungerecht - sie zerstören damit die wirtschaftl. Basis der Vereine die ohne Subventionen auskommen.
    Aus diesen Gründen haben für mich "faire" Traditionsvereine eine deutlich höhere Wertigkeit als "unfaire" Kunstgebilde.
    Aber eigentlich würde ich die Vereine nicht in Tradition- oder NichtTraditions- Vereine unterteilen sondern in faire oder nicht-faire Vereine.


    4:
    Ich bin mir nicht sicher, ob Tradition alleine in der BL für mich einen eigenen Wert hat.
    Letztendlich sind es die Menschen die aktuell den Verein leben diejenigen die den Verein prägen.
    Tradition alleine kann das nicht.
    Tradition in Verbindung mit aktuell gelebter Vereinsbegeisterung gefällt mir aber.
    Eine Verbindung als gemeinsamer Nenner über Generationen - das ist was besonderes - das geht nur mit Tradition
    Das hat für mich einen großen Wert.
    :winking_face:

  • 1. Weil die Tradition verpflichtet. In einer völlig kommerzialisierten Fußballwelt ist die Tradition ein Stück weit Romantik und ein Stück weit Verpflichtung der eigenen Vergangenheit gegenüber. Wer als klassischer Arbeiterverein gegründet wurde, sollte sich zb daran erinnern bei seiner Kartenpreisgestaltung. Und ich finde ein Stück weit gehört auch das e.V. zur Tradition, so wenig die Mitglieder auch jetzt noch mit der Tagespolitik zu tun haben. Ein echter Traditionsverein gehört seinen Fans und sie können wenns hart auf hart kommt für einen Führungswechsel sorgen.
    Viele verabschieden sich gerade von dieser Tradition, das empfinde ich persönlich als Werteverrat, denn eine professionelle Vereinsführung sollte auch mit mündigen Mitgliedern umgehen können und ein klein wenig Demokratie aushalten. Ich verstehe nicht, warum das Erfolg im Wege stehen soll. Allenfalls schreckt es Investoren ab und darüber kann keiner traurig sein oder? Sponsoren gern, Investoren, nein Danke!


    2. Siehe oben, seine Verpflichtungen und Wertevorstellungen, so er sie denn lebt. Tut er das nicht, ist er nicht wirklich besser als das Kunstprodukt, auch wenn seine Wurzeln sicherlich organischer sind und man den Verein daher noch ein Stück mehr akzeptiert als SAP Hoffenheim oder die Dosen.


    3. Habe ich denke ich schon mit beantwortet.


    4. Ich empfinde Stolz auf meinen Verein, wenn ich seine Historie betrachte. Eine so lange und bewegte Zeit zu übersthen, mit allen dunklen Kapiteln und schwierigen Zeiten, das ist eine echte Leistung und da ist eine Menge Herzblut hineingeflossen, welches für die Zukunft weiter verpflichtet. Natürlich ist das kein Stolz über etwas, das ich geleistet hat, aber es lässt mich manchmal ehrfürchtig werden und es weckt den Wunsch in mir, in irgendeiner Form, als kleinstes aller Zahnrädchen zum Erhalt und zur Verbeserung dieses meines Vereines mitzuwirken. Darum bin ich Mitglied, darum bin ich in der IGZ, darum blogge ich, darum arbeiten wir schließlich auch mit dem Verein, im Rahmen unserer kläglichen Möglichkeiten.
    Ich ziehe für mich eine Verpflichtung zur Mitarbeit heraus, die ich für ein "Projekt" wie Hoffenheim und co nie empfinden könnte, selbst wenn ich dort aufgewachsen wäre und vllt sogar der Mannschaft sportlichen Erfolg wünsche. Aber bei einem Projekt sähe ich die Verantwortung immer bei den Machern des Projekts, aber wir sind ein Traditionsverein, hier ist jeder gefragt, der kann.

    Saubreiss in da house.

    Inselbegabter Kobold.

  • Zitat von Chaos

    Einige ziemlich provokante Fragen, mich interessieren aber vor allem die unterschiedlichen Argumente. Ich würde eine weitestgehend rationale Diskussion bevorzugen.


    1. Warum berufen wir uns in Diskussionen um die Wertigkeit von Vereinen häufig auf die Tradition?


    Weil sich Vereine nicht unterscheiden lassen. Sie machen alle dasselbe auf ähnliche Weise und sind alle miteinander nicht so unterschiedlich. Deshalb unterscheidet man da, wo es geht -> Historie und Erfolge


    Zitat

    2. Was gibt einem Traditionsverein eine höhere Wertigkeit als Kunstprodukten wie Hoffenheim?


    Zweierlei: Einerseits der Irrglaube, ein Traditionsverein hätte sich seinen Stand erst erarbeiten müssen. Das ist maximal semi-richtig. Es war auch damals schon so, dass ein Verein in der Bundesliga Vorteile gegenüber unterklassigen Vereinen hatte. Auch wenn der Unterschied damals bei weitem nicht so groß und locker aufholbar war.


    Das andere ist, dass man als Anhänger zum Traditionsverein einfach eine andere Beziehung hat. Wenn man mit Vaddern und Großvaddern im Alter von 6 Jahren ritualisiert jeden zweiten Samstag zum Fussbball rennt, weil Vaddern und Großvaddern das schon mit ihren Vaddern und Großvaddern gemacht haben, dann ist das einfach mal eine völlig andere Basis. Der Verein ist Teil der Familie. In Hoffenheim gibt es das (noch) nicht. Lass die noch 50 Jahre spielen, kräht kein Hahn mehr danach.


    Zitat


    3. Was unterscheidet Vereine wie Hoffenheim und Wolfsburg von Kaiserslautern und dem Glubb?


    Wenn in Lautern oder Nürnberg Mist gebaut wird war es das. Wenn der Sanz unzufrieden ist wirft er Geld raus und wenn er zufrieden ist auch. Das ist der Unterschied.


    Zitat

    4. Welchen Wert hat Tradition für sich?


    Das ist ein zweischneidiges Schwert. Tradition kann förderlich sein, einem eine Richtung, vielleicht einen Lebensinhalt geben.
    Andererseits setzt sie gerne auch enge Grenzen und sorgt für Scheuklappen.


    Kurzum: Sie kann dich motivieren und bremsen. Einen speziellen "Wert" zu sehen ist schwer. Das wird jeder anders beurteilen.

  • Natürlich kann man damit argumentieren, daß es nicht sein kann, daß, nur weil 19xx in irgendeiner Stadt oder einem Dorf Fußballbegeisterte einen Verein gegründet haben, der dann irgendwann auch mal für die Bundesliga zugelassen wurde, sich jetzt keine anderen Vereine mehr dort festsetzen können.
    Nur denke ich, der Verein an sich war immer schon etwas, was sich durch die dort tätigen Menschen entwickelt hat. Und es haben sich sehr viele Menschen über Generationen damit verbunden gefühlt. Besonders krass widersinnig find ich derzeit die Entwicklung in Leipzig, wo ein reicher Mensch der Region damit etwas gutes tun will, daß er die Menschen, die über Jahrzehnte mit ihrem Verein verbunden waren, vor den Kopf stößt, indem er ihnen ein dank seines Geldes erfolgreicheres Kunstgebilde vorsetzt. Natürlich wird das nach ein paar Jahrzehnten (sofern er über seinen Tod hinaus dafür sorgt, daß dieser Verein finanziell gestützt wird) ebenfalls zu einer Tradition in Familien führen, die schon immer diesen Verein unterstützt haben.
    Und natürlich braucht sich der 1.FCN nicht drüber beschweren, daß es Transfers von besseren Spielern in Vereine gibt, die es mit dem vorhandenen regionalen Potential der Spieler nicht schaffen. Er war ja einer der ersten, der das praktiziert hat. Und der es möglicherweise auch nur deshalb geschafft hat, den seinerzeit erfolgreicheren Rivalen aus der Nachbarstadt zu überholen.
    Aber was gerade passiert ist, daß der Vereinsgedanke sich als nicht mehr zeitgemäß erweist, daß nur noch "Vereine" mit potenten Geldgebern, die dort das Sagen haben, tatsächlich erfolgreich sein können. Und daß es denen letztlich egal ist, wieviele Menschen ihren Verein unterstützen bzw. daß sie sogar dafür sorgen, daß in ihren "Verein" nicht jeder eintreten und mitbestimmen kann. Insofern haben wir im Moment eine Entwicklung, daß es einige Vereine gibt, die auf eine teils auch große Geschichte zurückblicken können, denen über Generationen viele 10000de Menschen verbunden waren und die jetzt damit leben lernen müssen, daß ihr Verein kaum mehr eine Chance hat, um eine Meisterschaft mitzuspielen. Diese Fans haben oft über Jahrzehnte ihren Verein mitunterstützt auch wenn er mal abgestürzt ist.
    Und dann gibt es ein paar "Vereine", die eben von reichen Menschen finanziert werden, sei es aus Spaß am Fußball, sei es aus Werbegründen für das eigene Produkt. Und die jedesmal, wenn es halt nicht so läuft, wie die es sich vorstellen, noch ein wenig mehr Geld in den "Verein" stecken, um sich den Erfolg möglichst schnell zu kaufen. Und das macht die gewachsenen Vereine kaputt. Denn die Vereine, wo wirklich alle Vereinsmitglieder mitbestimmen können, können sich die Erfolge nur ebenso zu kaufen versuchen, wenn sie wie in Hannover, bei den 60ern oder jetzt beim HSV bereit sind, ihre Entscheidungshoheit an die Geldgeber abzutreten.
    Was ich aber viel wichtiger finde: Sportliche Fairness, die Idee, daß man auch verlieren können muß, geht dabei verloren. Es geht nur darum, wer mehr Geld investiert, um dem anderen die guten Spieler abzukaufen. Ein modernes Monopoly, das mit einem sportlichen Wettkampf nur noch bedingt etwas zu tun hat. Und wo man eben auch von keinem Spieler mehr erwarten kann, daß er sich wirklich mit dem Verein identifiziert. Wo man sich im Extremfall jedes Jahr oder auch jedes halbe Jahr für einen neuen Spieler entscheiden muß, der der eigene Lieblingsspieler ist. Was man daraus lernt ist, daß man blöd ist, wenn man auf Geld verzichtet, nur weil man sein Herz an so ein Gebilde wie einen Verein hängt.
    Und damit geht der ursprüngliche Gedanke verloren, mit dem Fußball, aber auch andere Sportarten entwickelt wurden: es geht nicht mehr nur darum, als Mannschaft gute Leistung zu bringen, sondern eben, wenn man da bei der Kaderzusammenstellung Fehler gemacht hat, so geschickt zu kaufen und zu verkaufen, daß die schlechte Leistung korrigiert wird. Und meiner Meinung nach kann man dann eben auch nicht mehr von einem sportlich fairen Wettkampf sprechen, sondern nur von Zocken.
    Das andere Problem, das ich sehe und das ich immer mehr bedaure ist, daß das Vereinsleben an sich in den letzten Jahren verloren gegangen ist. Denn zu einem Verein gehörte eben auch, daß man gemeinsam Feste gefeiert hat, daß man regelmäßige Vereinstreffen hatte, daß man sich auch wirklich aktiv in die Vereinsarbeit eingebracht hat und sei es nur um z.B. ein neues Vereinsheim mitzubauen ... Mittlerweile ist das ganze zu etwas geworden, wo ein paar bezahlte Protagonisten den Verein mit Leben füllen und der Rest hauptsächlich konsumiert.

  • Zitat von Chaos

    Einige ziemlich provokante Fragen, mich interessieren aber vor allem die unterschiedlichen Argumente. Ich würde eine weitestgehend rationale Diskussion bevorzugen.
    1. Warum berufen wir uns in Diskussionen um die Wertigkeit von Vereinen häufig auf die Tradition?
    2. Was gibt einem Traditionsverein eine höhere Wertigkeit als Kunstprodukten wie Hoffenheim?


    hier bin ich ganz bei hoeschler. Eigentlich versucht man hier auch von Seiten der Presse Alleinstellungsmerkmale hervorzuhebn, um das Interesse zu erhöhen.
    Ist es nich schön pressetauglich, dass die überbezahlte Schalker Mannschaft einmal im Jahr in ein übersubventioniertes Kohlebergwerk geht und ist es nicht schön, dass wir uns an unsere vergangenen Titel erinnern können, wenn wir doch eigentlich weinend wie die Grundschüler zu einem erfolgsverwöhnten Verein überlaufen wollten?
    Auf der anderen Seite ist Tradition immer eben mit einer großen, sehr treuen Fangemeinde verbunden und das ist schon Wertigkeit an sich. Es sind lebendige Vereine, mit mitleidenden Fans und und nicht nur motzenden sky Abonenten. Dies ist bei "Traditionsvereinen" viel stärker ausgeprägt. Und da wir Fans wirklich wichtig sind (auch wenn nicht so wichtig wie sich manche nehmen) wird das immer in eine Diskussion der Wandlung im Profifußball einfließen. (Denn auch die scheiß Bayern Fans die nur 9€ pro Ticket zahlen sind wichtig Herr Hoeneß)
    [

    Zitat von Chaos


    3. Was unterscheidet Vereine wie Hoffenheim und Wolfsburg von Kaiserslautern und dem Glubb?


    provokante Antwort: Jahrzehnte der Misswirtschaft und deutscher Vereinstümelei. Verpassen wichtiger substantieller Veränderungen und ein über Jahrzehnte langes hinterherlaufen.
    Das ganze gepaart mit einer makaberen Art der Selbstzerfleischung (siehe 1860), um am Ende eben doch alle Tradition über Bord zu werfen, um mit den großen Geldpötten mitspielen zu dürfen (siehe abermals 1860 und nunja seit gestern wohl auch der HSV)
    [

    Zitat von Chaos


    4. Welchen Wert hat Tradition für sich?


    s.o.

    "Hello, my friend. Stay awhile and listen."

    Das Kleingedruckte: *) dieser Beitrag koennte Spuren von Sarkasmus beinhalten und muss daher nach den ungeschriebenen Glubbforenuserrichtlinien zur besseren Verstaendlichkeit mit diesem Warnhinweis versehen werden; +) dieser Beitrag wurde in betrunkenem Zustand erstellt und koennte daher einen erhoehten Wahrheitsgehalt aufweisen; !) Dieser Beitrag ist genau so zu verstehen wie geschrieben



  • 1. Es gibt Vereine die es in der Wahrnehmung schon immer gibt/gegeben hat aber nie großartig in Erscheinung getreten sind oder nicht lange. Beispiele: Waldhof Mannheim, Preussen Münster, Saarbrücken, Fortuna Köln oder Bayer Uerdingen. Also definiert einen Traditionsverein wohl sowas wie "schon immer dagewesen zu sein". Im Endeffekt ist Tradition großteils auch Auslegungssache. Für mich hat Wattenscheid 09 tausendmal mehr Tradition und Emotion als Augsburg oder Mainz.


    2. Gerade der Glubb hat seine Wertigkeit, trotz Tradition, bereits zum Großteil verloren. Da sind Wolfsburg und Hoffenheim halt mehr in der Presse und somit in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit vertreten.


    3. Liebe, Glaube, Leidenschaft.


    4. Für mich keinen mehr. Mannheim oder Uerdingen krebsen im Amateurfußball rum während wir mit Leipzig und Ingolstadt bald die nächsten "Kunstprodukte" erstklassig sehen werden. Von der Tradition kann man sich nix mehr kaufen, deshalb würde ich alles tun damit der Glubb für die Zukunft gerüstet ist. Und wenn das ein Mäzen ist, wärs mir auch wurscht.

    "Fußball ist kein Zufall, es braucht nicht viel. Aber das, was es braucht, sollte sitzen!“ Rene Weiler

  • Auf einen Nenner gebracht kann man sagen, dass Tradition im Fußball eher etwas für Fußballromantiker ist.
    Das bedeutet natürlich nicht, dass all diejenigen, die immer noch die Tradition als besonders wichtig erachten, alle
    Spinner sind. Diese "Traditionalisten" müssen jedoch erkennen, dass die Werte der Entwicklung eines Vereins in der heutigen Zeit
    eher im Weg stehen als dass sie den Verein weiterbringen.

  • Zitat von Chaos

    Einige ziemlich provokante Fragen, mich interessieren aber vor allem die unterschiedlichen Argumente. Ich würde eine weitestgehend rationale Diskussion bevorzugen.


    1. Warum berufen wir uns in Diskussionen um die Wertigkeit von Vereinen häufig auf die Tradition?


    Tradition ist ein Abgrenzungsmerkmal zu den modernen Strukturen des Sports. Es zeigt schlicht, dass der Verein schon erfolgreich war, als die Professionalität des Sports- und die damit einhergehende Abhängigkeit zur Wirtschaft - noch in den Kinderschuhen steckte. Tradition steht in diesem Sinne also auch für eine gewisse "selbsterbrachte" Leistung. Eine Leistung, die zu einem Großteil auf rein sportlichen Methoden basiert, was wohl unter der Anhängerschaft höher bewertet wird als wenn ein Verein mit Drittmitteln schnell nach oben geführt wird.
    Des Weiteren hat Tradition im Sport natürlich einen Nostalgie-Wert. Gerade, wenn der Traditionsverein nicht mehr so gut da steht, dient der Blick auf das Erreichte um zu zeigen, dass der Verein trotzdem noch eine gewisse Relevanz besitzt. Sei es - wie oben erwähnt - die langsame, aber stetige Entwicklung des Vereins nach oben oder aber der Blick auf die "Währung" des Sports: Titel. Vielen stößt es denk ich, sauer auf, dass in der oobjektiven Wahrnehmung alle gleich bewertet werden (müssen), ohne den ungleichen Arbeitsaufwand und die Verdienste für den Sport entsprechend zu würdigen und miteinzubeziehen.


    Zitat

    2. Was gibt einem Traditionsverein eine höhere Wertigkeit als Kunstprodukten wie Hoffenheim?


    Da muss man die zwei Perspektiven für sich sehen.
    Die erste Perspektive von Anhängern von "Kunstprodukten" ist relativ simpel, denn so ein Prinzip der "höheren Wertigkeit" wird man da nicht hören. Sie leben er in der Aktualität und da spielt der unmittelbare sportliche Erfolg eine Rolle und nicht die Vergangenheit.
    Die zweite Perspektive ist da deutlich vielschichtiger. In erster Linie denke ich, dass diese Diskussion geführt wird, weil die Fans der Traditionsvereine die Relevanz ihres Clubs in Gefahr sehen. Durch ungleich bessere wirtschaftliche Möglichkeiten wird man von Vereinen auch sportlich überholt, die wenig umständlich nach oben geführt wurden und die ungleich bessere - im Sinne von an die modernen Anforderungen angepassten - Möglichkeiten haben. Dazu kommt, dass diese Vereine das "leichter" geschafft haben als der Traditionsverein, der den harten, buckligen und steinigen Weg gehen musste.
    Ich denke, ein simples Beispiel aus dem Alltag kann das verdeutlichen: Das erste Auto, dass man sich von hart erarbeitetem Geld kaufen kann, hat weitaus mehr ideelen Wert als das eines Freundes, der es von seinen Eltern geschenkt bekommen hat. Da spielt es keine Rolle, dass das eigene Auto eher veraltet ist und das des Freundes nagelneu, denn der Weg zu diesem erreichten Statussymbol fließt mit in die Wertigkeit ein. Das Selbstgeschaffte wird wertvoller, weil Arbeit und Aufwand dahinter steht.
    Darüber hinaus haben Traditionsvereine einen gewissen Verdienst an der Entwicklung des Sports, lange bevor die "Kunstprodukte" an Relevanz erlangt haben. In erster Linie muss man da natürlich an die großen Spieler erinnern, die dafür gesorgt haben, dass viele junge Fussballer nachgekommen sind. Ohne diese Größen wäre der Sport in Deutschland vielleicht nicht da, wo er ist. Und das ist eine Leistung, die eben exklusiv Traditionsvereinen zugeschrieben werden muss. Wenn man so will, haben die Traditionsvereine urch die Begeisterung und Pionierarbeit, die sie geschaffen und geleistet haben, die modernen Strukturen geschaffen, in denen die "Kunstprodukte" erst aufgehen konnten.

    Zitat

    3. Was unterscheidet Vereine wie Hoffenheim und Wolfsburg von Kaiserslautern und dem Glubb?


    In erster Linie mal der Weg, den sie genommen haben, um dahin zu kommen, wo sie heute stehen. Der bleibt natürlich nicht verborgen und führt dann zu einer unterschiedlichen Wahrnehmung in der Öffentlichkeit (deswegen überhaupt so eine Diskussion). Dann natürlich die viel besser auf die Moderne zugeschnittenen Möglichkeiten der Erstgenannten. Wo keine - oder nur wenig - Tradition, da auch kein Kampf mit tradierten und überholten Strukturen. Durch ungleich weniger Tradition auch weniger Hindernisse, um auf Veränderungen reagieren zu können. Und natürlich der ungebundene Einsatz von Resourcen - sprich Geld. Wohingegen Vereine wie der FCK und der Club jeden Cent zweimal umdrehen müssen, können Vereine wie der VFL oder die TSG recht zwanglos wirtschaften, da die Löcher entprechend gestopft werden.


    Zitat

    4. Welchen Wert hat Tradition für sich?


    Tradition für sich hat keinen Wert. Was Tradition bedeutet, liegt im Ermessen jedes Einzelnen. Ich für mich kann sagen, dass Sie keinen besonders hohen Stellenwert hat, da ich lieber in der Aktualität lebe, als mich auf tradierte Lebensweisen und -weisheiten zu beziehen. Für Leute wie mich wird Tradition damit auch irgendwann indifferent, vor allem dann, wenn sie der Moderne entgegensteht und entsprechend eher negativ konnotiert ist.

    "Ich hoffe, dass ich 90 Jahre alt werde. Dann kann ich sagen, ich hätte 100 werden können. Aber ich habe in Nürnberg gearbeitet." G. Verbeek

    90+6

  • 4. Wert


    Was bedeutet denn Tradition?


    Ist der HSV am Tropf von H. Kühne besser als Hoffenheim, bloss weil sie lange un der BuLi gespielt haben?
    Wattenscheid hat Tradition, aber was hat Steilmann anders gemacht als Hopp?


    Nein, Tradition am sich hat keinen Wert, hindert eher (die Meisterschaften aus den 20ern sind nett, aber lieber spiele ich jetzt in der BuLi) wenn man den Wandel nicht schafft und es nicht schafft, aus der Tradition heraus etwas modernes zu schaffen.
    Dafür danke, dass wir endlich das NLZ haben, mit dem Funktionsgebäude, mit Vereinsstrukturen statt AG.


    Der Tradition verpflichtet, aber in der Moderne angekommen.

    FCN ein Leben lang... und nicht nur in der 1. Liga


    Manchmal verliert man - und manchmal gewinnen die anderen.

  • Ist jetzt natürlich völlig hypethetisch, aber mich würde mal interessieren, wie es gelaufen wäre, wenn der Glubb 1969 nicht abgestiegen wäre, sondern sogar in den 70ern eine ähnliche Entwicklung wie die Bayern gemacht hätte. Weitergesponnen : irgendwann wären bei uns vielleicht auch Investoren eingestiegen, das ganze Programm...


    Würde dann heute noch irgendjemand den FCN als Traditionsverein wahrnehmen und sich an die Erfolge vor dem Krieg erinnern? Wohl kaum.


    Sorry für Off topic.

  • Zitat von wikinger

    Ist jetzt natürlich völlig hypethetisch, aber mich würde mal interessieren, wie es gelaufen wäre, wenn der Glubb 1969 nicht abgestiegen wäre, sondern sogar in den 70ern eine ähnliche Entwicklung wie die Bayern gemacht hätte. Weitergesponnen : irgendwann wären bei uns vielleicht auch Investoren eingestiegen, das ganze Programm...


    Würde dann heute noch irgendjemand den FCN als Traditionsverein wahrnehmen und sich an die Erfolge vor dem Krieg erinnern? Wohl kaum.


    Sorry für Off topic.


    Der CLUB ist 1969 wirklich zu einem saudummen Zeitpunkt abgestiegen (wobei ein Abstieg immer saudumm ist und als Meister der saudümmste dazu).


    In den 70ern so gut wie komplett nicht in der 1.Liga dabei, da hat man erstmal ganz gewaltig den Anschluss verpasst.
    Da setzte ja so eine Art "Wirtschaftswunderzeit/Professionalisierung" ein in der Liga, zusätzlich gepusht durch die WM 1974 im eigenen Land. Da wurden dann die Fußballer überregional zu Popstars usw.


    Zudem war es denke ich ein Fehler in Nürnberg nicht die WM 1974 zu nutzen und das Stadion modernisieren/neubauen zu lassen. Da haben andere -allen voran die Bauern wegen Olympia 1972 schon- profitiert.


    Der Absturz 94-96 kam auch sehr ungünstig. Premiere/Sky kam auf, der Osten fußballerisch einigermaßen integriert.
    Alles wieder eine Stufe größer/professioneller, ein zweites "Wirtschaftswunder", dass die Etablierten zu nutzen wussten und erstarkt sind und der CLUB wurde wieder um Jahre zurück geworfen.
    Da sind nicht nur "materiell", sondern sicher aus fanmäßig (quantitativ) und vorallem infrastrukturell ganz gewaltige Defizite entstanden.


    Sorry für weiteres offtopic bzw:


    Wäre der CLUB 1969 als einmaliger Meister und nicht als Aushängeschild/Identifikationsfigur einer ganzen, relativ großen (Einzugs)Region abgestiegen - wer weiß wo er dann stünde.


    Insofern hat uns die große Tradition damals bis heute über Wasser gehalten, das teilweise schon höher als nur bis zum Hals stand.

    @keine Wattsapps, nur Brieftaube

  • Was genau verstehen wir unter Tradition?


    Erfolge?
    Wenn ja, Erfolge in frühen Jahren?
    Lange Jahren in Top-Ligen?
    Alter?


    Fanbasis und Identifikationsgrundlage?


    Es ist eine spannende Frage, denn die TSG Hoffenheim ist in der Tat älter als der 1 FC Köln, dieser wird aber als Traditionsverein gesehen.


    Fortuna Köln und Wattenscheid 09 gelten als Traditionsvereine, aber beide lebten v.a. dank großzügiger Mäzene, heute würde man darüber die Nase rümpfen.


    Was also macht einen Traditionsverein aus?
    Ein Punkt ist sicher die Fanbasis und übergeordnete Bedeutung für die Region, so dass Union Berlin, (Wismut) Aue, Dynamo Dresden und der 1 FC Köln trotz ihrer rel. jungen Geschichte sicher als Traditionsvereine gelten dürfen.
    Bayer 04 Leverkusen hingegen, mit langer Tradition, gilt nicht als Traditionsverein, da der Verein eben lange als Leichtathletikverein geprägt war und hier seine Wahrnehmung fand.
    Daher werden auch der VfL Wolfsburg und SAP Hoffenheim nie diesen Status erreichen, da Fanbasis und tiefere Bedeutung des Vereins für das Umfeld fehlen.
    Dagegen wird der 1 FC Kaiserlautern alleine aus der Bedeutung heraus immer eine größere Bedeutung haben, ebenso der 1 FC Nürnberg.


    Daraus gilt es für die betreffenden Marketingstrategen und sportlichen Leiter etwas zu machen.
    Warum wohl kommt ein Petrak zu uns?
    Wir haben das Umfeld bis Leipzig, Pilsen, Passau, Würzburg, das gilt es endlich auch für Nachwuchs und Bindung zu nutzen!



    Es ist also ein spannendes Thema.

    FCN ein Leben lang... und nicht nur in der 1. Liga


    Manchmal verliert man - und manchmal gewinnen die anderen.

  • Warum ein Petrak kommt?
    Weil er hier mehr verdient und die Möglichkeit bekommt in der Bundesliga zu spielen, ganz einfach.

    'Ce la wie. Das wars'

  • Hoffenheim ist älter als Köln? Stimmt doch gar net.
    Hoffe ist ein Fusionsverein, der sich auf nen Verein von 1899 draufgehockt hat. So kanns jeder...

    Schmarrnintelligenz, die

  • Zitat von juninho

    Hoffenheim ist älter als Köln? Stimmt doch gar net.
    Hoffe ist ein Fusionsverein, der sich auf nen Verein von 1899 draufgehockt hat. So kanns jeder...


    Der 1. FC Köln ist auch ein Fusionsverein und wurde erst 1948 gegründet.

  • Zitat von juninho

    Ja und die TSG Hoffenheim, so wie sie heute besteht, wurde wann "gegründet"?


    der Verein an sich (FV Hoffenheim) seit 1920, die "Auslagerung der Fußballabteilung in die TSG Hoffenheim Fußball-Spielbetriebs GmbH" war 2005.

    Kein Körper richtet was im Kopf nicht stimmt.

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